Pressemeldung

Anpassungsfähig, aber mit Sorgen um die Zukunft

Mehr als die Hälfte der hessischen Sportvereine erwartet im Corona-Jahr 2020 und auch im nächsten Jahr finanzielle Einbußen. Mehr als 20 Prozent bewerten die finanzielle Situation ihres Vereins insgesamt als schlecht. Darüber hinaus geht ein Drittel der Vereine von einem deutlichen Mitgliederrückgang aus. Gleichzeitig vermissen viele Hessen die Gemeinschaft in ihren Sportvereinen, die wichtige Stätten sozialen und gesellschaftlichen Miteinanders sind. Das sind zentrale Ergebnisse einer Vereinsumfrage zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie, die der Landessportbund Hessen (lsb h) durchgeführt hat. Neben finanziellen Aspekten ging es in der Umfrage zudem um den Umgang mit Hygienevorgaben, die Inanspruchnahme von Förderprogrammen, um Online-Sportangebote und weitere Auswirkungen auf den Sport- und Vereinsbetrieb.

An der Umfrage selbst hat sich ein Drittel der rund 7.600 hessischen Sportvereine beteiligt, nämlich 2.522. „Das ist eine außergewöhnlich hohe Zahl, die die starke Verunsicherung und den Problemdruck, der auf den Vereinen lastet, zeigt“, sagte lsb h-Hauptgeschäftsführer Andreas Klages am Mittwoch bei der Vorstellung der Ergebnisse. Viele der Vereine hätten auch die Möglichkeit genutzt, in der Umfrage ihre Sorgen, Erfahrungen, und Erwartungen zu äußern und auch Kritik zu üben. „Bei all den Problemen, die die Corona-Pandemie mit sich bringt, ist erneut deutlich geworden, dass die Sportvereine anpassungsfähig und robust sind, Auflagen verantwortungsvoll umsetzen und im Sinne ihrer Mitglieder nach kreativen Lösungen für den Fortgang des Vereinslebens suchen“, fasste Präsident Dr. Rolf Müller zusammen. „Die Sportvereine leben also auch in dieser außergewöhnlichen Krise die zentralen Werte des Sportvereinssystems – Gemeinwohlorientierung, die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung und Solidarität.“

Doch wird diese Solidarität auch von den Mitgliedern geteilt? „Wie hoch die Zahl der Austritte sein wird, lässt sich heute nur sehr eingeschränkt prognostizieren. Im Mittel gehen die Vereine, die mit Austritten rechnen, von einem Rückgang um 11,6 Prozent aus“, so Andreas Klages. Die Vereine rechneten vor allem dann mit einem Mitgliederrückgang, wenn der Sport- und Wettkampfbetrieb erneut ausgesetzt werden sollte.  Zudem sehen die Vereine vor dem Hintergrund des reduzierten Sportbetriebs und des eingeschränkten Vereinslebens im Jahr 2020 kaum Chancen, die normale Mitgliederfluktuation durch die Gewinnung neuer Mitglieder auszugleichen. „Angesichts der aktuell wieder stark ansteigenden Infektionszahlen ist zu befürchten, dass sich diese Tendenz verschärft“, erklärten Hauptgeschäftsführer und Präsident unisono.

„Unsere Vereine werden von ihren Mitgliedern aber nicht nur als Dienstleister in Sachen Sport betrachtet. Genauso wichtig wie das Sporttreiben sind ihnen das soziale Miteinander, der Austausch und die Gemeinschaft im Sport. All das macht das Vereinsleben aus und all das fehlte im Frühjahr und ist nun wieder bedroht“, blickte Dr. Rolf Müller durchaus sorgenvoll in die Zukunft. In der Umfrage geäußerte Kommentare wie „Ohne soziales Miteinander zerfällt der Verein“ oder „Wenn wir in Zukunft weiter Abstand halten müssen, wird unser Verein das nicht überleben“ bestätigen diese Ansicht.

Müller appellierte deshalb an Land und Kommunen, dies ebenso wie die gesundheitsfördernden Aspekte des Sports bei allen Entscheidungen zu bedenken. Außerdem gelte es, künftig klarer und einheitlicher zu kommunizieren und zu handeln als bislang, sagte er in Richtung der Politik. „Unsere Vereine haben das Nebeneinander von Landesverordnung mit den zum Teil von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlichen Festlegungen und politischen Empfehlungen auf Bundesebene im Frühjahr und Sommer nicht nur als sehr verwirrend wahrgenommen. Unklare Regelungen haben die ehrenamtliche Arbeit erschwert.“ Daraus sollte man in der zweiten Welle lernen.

Es sind aber nicht nur verwirrende Corona-Verordnungen, die den Vereinen Sorge bereiten. Gerade der Blick auf die Vereinsfinanzen bereitet manchem Vorstand Kopfzerbrechen. Finanzielle Defizite erwarten die Sportvereine vorwiegend aufgrund von ausgefallenen Veranstaltungen, Einbußen im Bereich Vereinsgaststätte/Verkauf von Speisen und Getränken, im Spiel- und Sportbetrieb (Kursgebühren, Eintrittsgelder etc.) sowie beim Sponsoring, wie Andreas Klages darlegte. „Die Bandbreite der erwarteten Verluste ist dabei so unterschiedlich wie es auch unsere Vereine sind. Sie reicht von 1.800 bis 24.000 Euro und beträgt im Mittel 5.455 Euro.“ Diese Einschätzungen wurden jedoch im Sommer vorgenommen – die Stimmung sei damals ehr optimistisch gewesen. „Erst wenn der kommende Winter um ist, können wir alle abschätze, wie schwerwiegend die finanziellen Folgen tatsächlich sind“, so Präsident Müller.

Klar ist: Insbesondere Groß- und Mehrspartenvereine und Vereine mit eigenen Sportstätten haben erhebliche wirtschaftliche Schäden. Bereits bis Juni hatten mehr als 400 Vereine Finanzhilfen beim Hessischen Ministerium des Innern und für Sport und beim Regierungspräsidium Kassel beantragt, fast 900 Vereine beabsichtigten eine Beantragung.

„Wenn wir sicherstellen wollen, dass die Vielfalt der hessischen Sportvereinslandschaft auch langfristig erhalten bleibt, muss die Hessische Landesregierung ihre Corona-Hilfsprogramme im Jahr 2021 fortführen und bedarfsgerecht weiterentwickeln“, appellierte lsb h-Präsident Dr. Rolf Müller. Zudem bat er das Land Hessen darauf hinzuwirken, dass entsprechende Bundes- oder Bund-Länder-Programme für Sportvereine geöffnet werden. „Weiterhin richten wir die dringende Bitte an den Bundestag, zeitnah ein Ehrenamtsstärkungsgesetz zu verabschieden und so die Forderungen der Sportorganisationen zur Entbürokratisierung so schnell wie möglich umzusetzen.“

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