„Wir wollen ein Stabilitätsanker sein“
Steigende Kosten, marode Sportstätten, fehlende Ehrenamtliche: Die Herausforderungen für die rund 7.400 hessischen Vereine sind vielfältig. Und die Krisen unserer Zeit wirken sich ebenfalls auf sie aus. Dass sie auf die Unterstützung des Landessportbundes Hessen (lsb h) zählen können, betonte Präsidentin Juliane Kuhlmann im Rahmen des Hauptausschusses in Frankfurt: „Wir wollen ein Stabilitätsanker sein.“ Davon profitierten nicht nur die Vereine. „Der Sport hat eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung“, sagte Kuhlmann mit Blick auf die vielfältigen Aktivitäten des organisierten Sports – etwa in den Bereichen Integration und Inklusion oder als Partner im schulischen Ganztag. Mit Sorge blickte Kuhlmann deshalb auf die kritische Lage der öffentlichen Haushalte – und richtete einen klaren Appell an die Landesregierung: „Jeder in den Sport investierte Euro zahlt sich doppelt und dreifach wieder aus und spart an anderer Stelle bares Geld. Wer am Sport spart, der spart nicht.“
Eine Aussage, die die rund 100 Delegierten aus Sportkreisen und Verbänden mit frenetischem Applaus bedachten. Zum zweiten Mal in diesem Jahr kamen sie als zweithöchstes Entscheidungsgremium des lsb h zusammen. Einstimmig beschlossen sie die Haushaltspläne, die der Vizepräsident Finanzmanagement, Helmut Meister, vorgelegt hatte. Für das kommende Jahr plant die Dachorganisation mit einem Etat von etwa 39,14 Millionen Euro – rund 138.000 Euro mehr als im Vorjahr, was den gestiegenen Finanzbedarf zeigt. Auf dieses Jahr blickte der Finanzchef zufrieden zurück: „Wir werden das Haushaltsjahr mit einer schwarzen Null abschließen.“ Auch sonst verlief das Jahr für den lsb h erfreulich, weil er viele wichtige Entwicklungen anstoßen konnte.
In ihrer Rede verdeutlichte Kuhlmann, auf welch vielfältige Weise sich die Dachorganisation für ihre Mitgliedsorganisationen einsetzt. Beispielsweise mit einem ausdifferenzierten Aus- und Fortbildungsangebot. Oder mit Vereinsberatungen. Oder mit einer sportpolitischen Agenda. „Wir arbeiten konsequent daran, Verbesserungen für unsere Vereine zu erzielen. Über all unseren Aktivitäten steht das Ziel, den Sport in Hessen zukunftsfest aufzustellen.“ Dass das in der Vergangenheit stets gelang, lag auch an der Unterstützung durch die Landespolitik, die sich „schon immer durch eine umfassende und konsequente Sportfreundlichkeit“ ausgezeichnet habe, sagte Kuhlmann – wohl wissend, dass sich das bald ändern könnte.
Kuhlmann fordert mehr Mittel über das Hessische Glückspielgesetz
„Es mehren sich die Hinweise auf außerordentlich kritische Entwicklungen bei der Haushaltsplanung im politischen Wiesbaden. Wir appellieren deshalb an Landesregierung und Landtag, an ihrer positiven Einstellung zum Sport festzuhalten.“ Konkret forderte sie eine zeitnahe Erhöhung der Mittel über das Hessische Glücksspielgesetz. „Und wir brauchen eine Fortführung des Sporthaushalts der Landesregierung auf dem etablierten, hohen Niveau.“ Zugleich warnte Kuhlmann davor, den Stellenwert des Sports zu unterschätzen. „Gäbe es unsere Vereine nicht, wäre der Staat mit vielen gesellschaftlichen Aufgaben konfrontiert, die er – erstens – gar nicht leisten und – zweitens – schon gar nicht bezahlen könnte.“
Dass das Land Hessen auch in schwierigen Zeiten ein verlässlicher Partner des Sports bleibe, unterstrich Dr. Sonja Optendrenk. Die Staatsekretärin im Hessischen Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege (HMFG) räumte aber auch ein, dass sich die angespannte finanzielle Lage „wahrscheinlich auch im Sportetat“ niederschlagen werde. Sehr kritisch blickte sie auf die Entwicklungen rund um das „Gesunde-Herz-Gesetz“, das viele Gesundheitssportangebote in Vereinen bedroht. „Mein Herz blutet, wenn ich daran denke. Ich hoffe, dass dieses Gesetz nicht kommen wird“, positionierte sich Optendrenk klar gegen den Gesetzesentwurf, nach dem bei Behandlungen verstärkt auf Medikamente statt präventiver Bewegung gesetzt werden soll. Den Delegierten dankte die Staatsekretärin für ihr Engagement an der Basis – und appellierte: „Wir müssen das Ehrenamt hegen und pflegen, denn es hält unsere Gesellschaft zusammen.“ Neben warmen Worten gab es auch fünf Förderbescheide in Höhe von fast 800.000 Euro. „Ich bedanke mich herzlich für diesen Geldregen, den wir für unsere Projekte gut gebrauchen können“, sagte Kuhlmann.
Spürbare Verbesserungen für Vereine
Vorwärts geht es auch bei der Regelarbeit. Das zeigt sich etwa im Bereich der Digitalisierung: Im Juli nahm der lsb h ein neues Online-Portal in Betrieb, über das Zuschüsse für Investitionen und Personen (z. B. Übungsleitende) schnell und papierlos beantragt werden können. „Die Vereine haben die Umstellung sehr gut angenommen. Das zeigt sich daran, dass Mittel schneller abgerufen werden als dies früher der Fall war“, freute sich Dr. Frank Weller, Vizepräsident Vereinsmanagement. „Wir haben damit einen Meilenstein setzen können, weil es unsere Vereine jetzt viel leichter haben“, betonte Uwe Steuber, Vizepräsident Kommunikation und Marketing. Auf veränderte Bedarfe der Vereine reagiert sein Bereich auch mit einer verbesserten Online-Ausgabe der Verbandzeitschrift „Sport in Hessen“ sowie der Schulung ehrenamtlicher Kommunikationsbeauftragter, etwa im Bereich Videodreh.
Erfreuliche Entwicklungen haben sich auch im Geschäftsbereich Schule, Bildung und Personalentwicklung vollzogen. „Unsere Übungsleiter*innen-Ausbildungen sind gefragter denn je“, berichtete Vizepräsidentin Katja Köhler-Nachtnebel. Der lsb h differenzierte sein Aus- und Fortbildungsangebot weiter aus, überarbeitete etwa das Konzept zur Vereinsmanager*innen-Ausbildung und bereitet nun noch gezielter auf Aufgaben im Verein vor. „Eine modulare Struktur ermöglicht es, die Ausbildung nach den eigenen Bedürfnissen zusammenzustellen“, so Köhler-Nachtnebel. In Kürze stehen Gespräche mit Hessens Kultusminister Armin Schwarz an. „Der Sport im schulischen Ganztag ist für uns ein wichtiges Themenfeld, zu dem wir ein Positionspaper mit unseren Forderungen entwickelt haben“, sagte Köhler-Nachtnebel mit Blick auf das Ganztagsförderungsgesetz, das im August 2026 in Kraft treten wird.
Die Vorsitzende der Sportjugend Hessen, Malin Hoster, berichtete vom Wachstum des Bündnisses „Safe Kids“, dem rund ein Jahr nach seiner Gründung bereits 60 Sportorganisationen angehören. In die Zukunft gerichtet erläuterte Hoster, dass die Sportjugend die zusammen mit dem Land gestartete Initiative „Mehr Bewegung in den Kindergarten“ ausbauen werde, um mehr Vereine zu Kooperationen zu bewegen. „Im Sportkreis Frankfurt ist bereits ein Pilotprojekt gestartet. Demnächst werden wir den Kontakt zu weiteren Sportkreisen suchen“, so Hoster.
Finanzierung des Olympiastützpunktes ist unsicher
Wie wichtig Vielfalt im Sport ist, zeigte kürzlich die Fachtagung „Gemeinsam stark“ im Rahmen des Landesprogramms „SPORTLAND HESSEN bewegt“. Diese habe verdeutlicht, „dass wir uns mit unserem Verständnis, nicht länger isoliert von Integration und Inklusion zu sprechen, auf dem richtigen Weg befinden“, betonte Ralf-Rainer Klatt, Vizepräsident Sportentwicklung. In seinem Geschäftsbereich verstehe man es als eine zentrale Aufgabe, Vereine zu unterstützen, ohne dass sie ihre Angebote radikal umstellen müssen. Ebenfalls zufrieden zeigte sich der Vizepräsident über die Entwicklung des Programms „Sport im Park“. Zwischen Mai und September hätten in sieben Sportkreisen an 37 Standorten mehr als 250 Angebote stattgefunden, an denen rund 60 Vereine beteiligt waren. Mit dem „Alltags-Fitness-Test“, der zwischen August und Oktober in drei Sportkreisen angeboten wurde, habe man rund 250 Teilnehmende in der Altersgruppe 60+ erreicht.
Auf die Olympischen und Paralympischen Spiele in Paris blickte Annika Mehlhorn, Vizepräsidentin Leistungssport, zurück. „Mit elf Medaillen für Sportler*innen aus hessischen Vereinen haben wir das gute Ergebnis von Tokio 2021 betätigt. Das zeigt, dass wir mit unserem Fördersystem auf dem richtigen Weg sind“, freute sich Mehlhorn und richtete den Blick voraus. Kritisch werde man beäugen, wie es nach dem Bruch der Bundesregierung mit dem Sportfördergesetz weitergehe, so Mehlhorn. „Auch die unsichere Finanzierung unseres Olympiastützpunktes macht uns Sorgen.“ Noch mehr in den Blick nehmen wolle man die hessischen Trainer*innen, die beim lsb h in einem eigenen Fachbeirat organisiert sind. „Wir brauchen ihre Expertise, um gute Entscheidungen für den Leistungssport treffen zu können.“