Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Energiekrise, Klimawandel und Nahost-Konflikt: Die Krisen dieser Zeit machen auch vor den gut 7.400 Vereinen in Hessen nicht Halt. Doch der organisierte Sport erweist sich als robustes und resilientes System, das gesellschaftliche Verantwortung übernimmt. Das betonte Juliane Kuhlmann, Präsidentin des Landessportbundes Hessen (lsb h), im Rahmen des Hauptausschusses in Frankfurt. Zudem merkte sie an, dass der lsb h keineswegs nur im Krisenmodus laufe: „Natürlich arbeiten wir hart dafür, die Auswirkungen all dieser Krisen auf unser Sportsystem so erträglich wie möglich zu halten. Aber wir belassen es nicht dabei, sondern wir setzen aktiv neue Akzente – ganz im Sinne unserer Sportvereine“, verdeutlichte Kuhlmann den mehr als 100 Delegierten aus Sportkreisen und Verbänden, die sich zweimal im Jahr zum Hauptausschuss, dem zweithöchsten Entscheidungsgremium des lsb h, treffen.
Die Präsidentin ging u. a. darauf ein, dass der lsb h zukunftsweisende Entwicklungen im Bereich Digitalisierung angestoßen habe. Sie verkündete Erleichterungen durch die Anpassung der Förderrichtlinien für Vereine. Und sie unterstrich, dass der lsb h seine Vereine in finanzieller Hinsicht zur Seite stehe: „Wenn man Regel- und Zusatzförderung zusammennimmt, haben wir unsere Vereine in diesem Jahr mit fast neun Millionen Euro gefördert.“ Hinzu kämen die in diesem Jahr abgeschlossene Qualifizierungsoffensive, Energiehilfen des Landes Hessen und das ReStart-Programm des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). „Rund 12 Millionen Euro sind so für die wichtige Arbeit der hessischen Vereine zusammengekommen. Das ist nicht nur eine beeindruckende Höchstförderung, sondern sie war und ist auch wirksam, wenn man etwa die steigenden Mitgliederzahlen in den Vereinen sieht“, freute sich Kuhlmann und dankte insbesondere der Hessischen Landesregierung sowie dem DOSB.
Zufrieden mit der Zusammenarbeit zeigte sich auch Jens-Uwe Münker, Abteilungsleiter Sport im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport (HMdIS), der den verhinderten Sportminister Peter Beuth vertrat. So habe das Land die Vereine allein mit Energiehilfen von mehr als 1,2 Millionen Euro unterstützt. Demnächst, so Münker, starte die zweite Phase des Energiehilfeprogramms für Sportvereine. Mit Blick auf die potenzielle neue Landesregierung aus CDU und SPD zeigte er sich optimistisch und erklärte: „Beide Partner haben eine hohe Sportaffinität.“
Die Bedeutung des organisierten Sports unterstrich auch Michaela Röhrbein, DOSB-Vorständin Sportentwicklung: „Vereine sind die Grundpfeiler unserer Gesellschaft, sie sind der soziale Kitt, den wir heute mehr denn je brauchen – gerade vor dem Hintergrund einer immer größer werdenden sozialen Kluft.“ Die Relevanz der Vereine, so Röhrbein, zeige sich nicht zuletzt an den steigenden Mitgliedszahlen in allen Bundesländern. Dennoch müsse sich der Vereinssport weiterentwickeln, um dauerhaft gesellschaftlich relevant zu bleiben. Das Ehrenamt an veränderte Rahmenbedingungen anpassen, mehr Menschen mit Migrationshintergrund einbinden und mehr Diversität leben – das seien zentrale Aspekte. „Diversität ist kein Nice-to-have, sondern unser Überleben“, betonte Röhrbein und fügte hinzu: „Wir müssen alte Zöpfe abschneiden und uns den Bedürfnissen der Menschen anpassen.“ Auch dass der organisierte Sport die Politik fordern müsse, unterstrich die DOSB-Vorständin. „Wir müssen immer wieder daran erinnern, dass kein Bereich so viel für die Gesellschaft leistet wie der Sport“, sagte Röhrbein und kritisierte, dass die Bundesregierung nicht nur an finanziellen Mitteln für einen Entwicklungsplan Sport spare, sondern auch das ReStart-Programm nicht fortführen werde. Am Ende bilanzierte die DOSB-Vorständin: „Sport für alle hat die Kraft, unser Land weiterzuentwickeln und ist eben immer mehr als ,Sport für alle‘. Wer den Sport fördert, betreibt daher keine Lobbypolitik, sondern steht für eine lebendige und zukunftsfeste Demokratie.“
Während des Hauptausschusses kamen außerdem die lsb h-Präsidiumsmitglieder zu Wort. Ralf-Rainer Klatt (Vizepräsident Sportentwicklung) ging auf die Schwerpunkte seines Geschäftsbereichs ein. „Sport im Park“, ein Alltags-Fitness-Test und eine Dialogveranstaltung mit den Fachverbänden zählten zu den Aktivitäten. Für nächstes Jahr sei ein Fachtag Vielfalt geplant, 2025 soll eine Sportentwicklungskonferenz stattfinden und 2026 der Turn- und Sportkongress, den lsb h und Hessischer Turnverband (HTV) gemeinsam organisieren.
Die Bedeutung des Themas Kindeswohl unterstrich Malin Hoster, Vorsitzende der Sportjugend Hessen. Die Mitarbeit am Zukunftsplan „Safe Sport“ der Deutschen Sportjugend (dsj) sei für ihre Organisation ebenso wichtig wie das hessische Bündnis „Safe Kids“, das Ende November startet. Ins Bild passt, dass das Sportjugend-Projekt „Kindeswohl im Sport“ mit den beteiligten Sportkreisen und Verbänden erfolgreich weiterlaufe. Kritische Worte fand die Sportjugend-Vorsitzende hingegen in Sachen Freiwilligendienste. Dass der Haushaltsentwurf der Bundesregierung deutliche Kürzungen vorsieht und jede vierte Freiwilligendienststelle bedroht ist, kritisierte Hoster scharf.
Die Vizepräsidentin Leistungssport, Annika Mehlhorn, blickte in ihrem Bericht u. a. auf die DOSB-Leistungssportkonferenz zurück. In der Sportschule des Landessportbundes tauschten sich dort Mitte Oktober 250 Teilnehmende aus Spitzenverbänden, Landessportbünden und Olympiastützpunkten aus. Wichtiges Thema: die Situation der Trainer*innen. Mehlhorn: „Personalentwicklung wird den bundesdeutschen Leistungssport in den nächsten Jahren beschäftigen. Denn wir haben ein massives Nachwuchsproblem.“ Freuen durfte sich die ehemalige Leistungsschwimmerin über eine finanzielle Förderung, die Jens-Uwe Münker im Namen des HMdIS überreichte: 1,025 Millionen Euro fließen in das Landestrainer-Programm, zudem erhält der Olympiastützpunkt Hessen eine Sonderzuwendung in Höhe von 70.000 Euro.
Wie sich der lsb h für den Sport im schulischen Ganztag stark macht, erläuterte Katja Köhler-Nachtnebel, Vizepräsidentin Schule, Bildung und Personalentwicklung. In einem Positionspapier fordert der lsb h u. a. eine bessere Einbindung von Sportvereinen in den schulischen Ganztag sowie eine angemessene, langfristige Finanzierung von Maßnahmen. „Die Vereine müssen als Kooperationspartner auf Augenhöhe verstanden werden. Der Sport ist Bildungspartner Nummer eins. Kein anderer Bereich leistet im Ganztag so viel wie der Sport“, verdeutlichte Köhler-Nachtnebel. Er müsse deshalb noch mehr als „integraler Bestandteil des Schulalltags“ verstanden werden. Außerdem wies die Vizepräsidentin auf das neue Qualifizierungsformat Freiwilligenmanagement hin, mit dem noch mehr Menschen an Vereine gebunden werden sollen.
In Vertretung für den erkrankten Vizepräsidenten Dr. Frank Weller stellte Präsidentin Kuhlmann die neue Förderkonzeption für Vereine vor, bei der Richtlinien aus verschiedenen Geschäftsbereichen zusammengeführt wurden. „Sie erleichtern unseren Vereinen die Antragstellung und tragen maßgeblich zur gewünschten Entbürokratisierung bei.“ Im Bereich Sportinfrastruktur hob Kuhlmann den Öko-Check hervor, der für den deutschen Nachhaltigkeitspreis 2023 nominiert wurde und der nicht zuletzt vor dem Hintergrund des neuen Gebäudeenergiegesetzes des Bundes „von unschätzbarem Wert“ sei.
Wie der lsb h sich im Bereich Kommunikation und Marketing weiterentwickelt hat, erläuterte Vizepräsident Uwe Steuber. Durch die Einführung eines Podcasts sei es möglich, thematisch noch mehr in die Tiefe zu gehen. „Außerdem können wir neue Zielgruppen ansprechen“, so Steuber. Als wichtigen Schritt bezeichnete er außerdem die Bereitstellung der Assistenzsoftware Eye-Able, die Menschen mit Einschränkungen die Nutzung einer Internetseite erleichtert. „Ab Dezember stellen wir die Assistenzsoftware kostenlos all unseren Mitgliedsorganisationen zur Verfügung – ob Sportkreis, Verband oder Verein“, sagte Steuber.
Dass der lsb h in diesen Zeiten umsichtig wirtschaftet, verdeutlichte Helmut Meister, der Vizepräsident Finanzmanagement. Zugleich merkte er an, dass die vielfältigen Krisen den Haushalt belasten. „Unsere Sportschule beispielsweise erholt sich nur sehr langsam, weil bei Lehrgängen vermehrt auf Übernachtungen verzichtet wird.“ Um Energiekosten zu senken, kündigte Meister an, dass der lsb h den Betrieb einer Photovoltaik-Anlage prüfen wolle. Die Haushaltspläne für 2024 beschlossen die Delegierten einstimmig.