Olympische Bewegung heute „wichtiger denn je“
Die Vorfreude auf die Olympischen Spiele im Sommer ist spürbar – obwohl Krisen und Kriege die Welt erschüttern. Und obwohl die Zulassung von russischen und belarussischen Athlet*innen in der Kritik steht. Diese Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) hat Kommunikationsdirektor Christian Klaue eng begleitet. Eine Entscheidung, die der Landessportbund Hessen (lsb h) für falsch hält, weil der russische Angriffskrieg andauert, enge Verbindungen zwischen Militär und Sport existieren und das staatlich gestützte Doping-System bis heute nicht aufgearbeitet wurde. Warum die Zulassung aus IOC-Sicht trotz des russischen Angriffskrieges richtig ist, erläutert Klaue in der aktuellen Folge des „Sportgebabbel“, dem lsb h-Podcast. Zudem stellt er sich einigen weiteren kritischen Fragen. Er äußert sich zur Doping-Problematik in Russland und zu Vorurteilen gegenüber seiner Organisation – etwa zur verbreiteten Annahme, dass Olympia-Gastgeber mit hohen Schulden die Spiele beenden, während das IOC profitiert. Der 49-Jährige spricht aber auch über seine Zeit in Frankfurt. Zwischen 2009 und 2015 arbeitete Klaue als Pressesprecher des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) – und behielt den hessischen Vereinssport in bleibender Erinnerung.
„Mein emotionalstes Sporterlebnis waren die ersten Turnversuche meiner ältesten Tochter bei der FTG Frankfurt“, sagt Klaue. Der Vereinssport hat sein Leben geprägt. An der innerdeutschen Grenze in Wernigerode aufgewachsen, meldeten ihn seine Eltern früh im Sportverein an. Bei Dynamo Wernigerode begann er als Achtjähriger mit dem Radsport, lernte das besondere Miteinander im organisierten Sport zu schätzen – und träumte davon, eines Tages den Sprung auf die Kinder- und Jugendsportschule in Berlin zu schaffen. „Dafür hat mein Talent aber leider nicht gereicht“, erzählt Klaue. Für sein Studium zog es ihn an die Deutsche Sporthochschule in Köln. Nebenbei trainierte er im Leichtathletik-Team, das für seine persönliche Entwicklung sehr wichtig war. „Das Team war wie eine zweite Familie“, betont Klaue, der später als Journalist beim Sport-Informations-Dienst (SID) arbeitete. Er berichtete u. a. von Olympischen Spielen, die er in ihrer jetzigen Form – mit umfangreichen Sommer- und Winterspielen – keineswegs für ein Auslaufmodell hält. „Die Spiele müssen mit der Zeit gehen“, unterstreicht Klaue. Mit der Aufnahme neuer Sportarten wie Surfen, Cricket oder Squash verdeutliche die Olympische Bewegung, dass sie veränderten Erwartungen Rechnung tragen könne. Zudem beschäftigt sich das IOC derzeit mit der Frage, ob Olympische E-Sport-Spiele ein Modell für die Zukunft sein könnten.
„Das Olympische Programm wird sich anpassen, aber die Spiele und der Gedanke dahinter wird auch in vielen Jahren noch existieren“, ist sich Klaue sicher. Beim Olympischen Gedanken spielt Völkerverständigung eine große Rolle. Verbunden im Sport sollen sich die Athlet*innen eines jeden Landes über Kriege und Krisen hinweg in ihren Disziplinen messen. „Die Olympische Bewegung will verbinden und Brücken bauen – das ist heute wichtiger denn je“, sagt Klaue. Deshalb sei dem IOC wohl mit der Entscheidung, russische und belarussische Athlet*innen trotz anhaltenden Krieges in der Ukraine unter neutralem Status zu Olympia zuzulassen. „Die Aufgabe der Olympischen Bewegung ist es, die in der Olympischen Charta niedergelegten Werte zu leben“, erläutert Klaue. Deshalb dürfe das IOC Athlet*innen nicht wegen ihrer Staatszugehörigkeit diskriminieren, sondern habe die Aufgabe, sie auf Basis einer einheitlichen Bewertung für Olympia zuzulassen oder auszuschließen. Obwohl russische Athlet*innen zuletzt trotz Unterstützung des Krieges (z. B. durch die Teilnahme an Demonstrationen) an internationalen Wettkämpfen teilnahmen, ist Klaue nicht bange. „Die Überprüfungen sind gut möglich, weil die Geschichten der Athlet*innen den Verbänden bekannt sind. Es gibt handfeste Informationen.“ Dass sich das IOC nur bedingt auf die Überprüfungen der Verbände verlassen kann, zeigt das jüngste Beispiel des russischen Ringers Imam Ganischow. Er nahm an den Europameisterschaften teil – und ließ sich mit einem russischen Soldaten in der Ukraine fotografieren.
Die sechste Podcast-Folge gibt es auf allen gängigen Podcast-Plattformen (Spotify etc.) und hier.