Nie zuvor waren mehr Menschen in einem hessischen Sportverein aktiv: Das ist das Ergebnis der Bestandserhebung des Landessportbundes Hessen e.V. (lsb h). Zum Stichtag 1.1.2020 meldeten die 7.574 unter seinem Dach organisierten Vereine exakt 2.134.686 Mitgliedschaften. Das sind 24.575 (1,2 Prozent) mehr als im Vorjahr. Im Vergleich zu vor zehn Jahren besteht sogar ein Anstieg um 3,2 Prozent. Die Zahl der hessischen Sportvereine ist hingegen weiter rückläufig. Sie sank gegenüber 2019 um 40 Vereine. Im Vergleich zum Jahr 2010 gibt es hessenweit 206 Sportvereine weniger.
Im Verhältnis zur Bevölkerung gehört damals wie heute mehr als ein Drittel der Bürgerinnen und Bürger einem hessischen Sportverein an. „Der Sport bleibt damit die größte und mitgliederstärkste Bürgerbewegung in unserem Land. Das ist der Verdienst aller, die sich als Übungsleiter, Betreuer, Abteilungsleiter oder Vorstandsmitglieder in unseren Vereinen engagieren“, sagt Landessportbund-Präsident Dr. Rolf Müller mit Dank in deren Richtung.
Er hofft, dass auch die Corona-Pandemie daran nichts ändern wird. Müller hatte in den vergangenen Wochen mehrfach zur Solidarität gegenüber den Vereinen aufgerufen und zeigt sich heute optimistisch: „Ich bin mir sicher, dass viele Menschen gerade durch diese Krise und die zeitweise Lahmlegung des Sportbetriebs erkannt haben, wie wertvoll die Arbeit der Vereine ist. Denn obwohl Fitness-Apps, individueller Sport in der freien Natur und Krafteinheiten im eigenen Wohnzimmer geeignet sein mögen, um sich körperlich fit zu halten – den Sport im Verein können sie nicht ersetzen. Nur dort findet man eine professionelle Ausstattung für verschiedene Sportarten, Trainer und Übungsleiter, die anleiten und korrigieren, und vor allem eine Gemeinschaft, die nicht nur in Teamsportarten das besondere Etwas ausmacht.“
Sportkreise: Höchster Organisationsgrad im Vogelsbergkreis
Mit 262.217 Mitgliedschaften ist der Sportkreis Frankfurt der mit Abstand größte. Darmstadt-Dieburg (153.193), Main-Kinzig (132.967) und Region Kassel (130.823) folgen mit weitem Abstand. Auch das Wachstum in den vergangenen zehn Jahren kann sich sehen lassen: Rund 108.000 mehr Mitgliedschaften sind im Sportkreis Frankfurt zu verzeichnen. Fast 70.000 davon steuert Eintracht Frankfurt bei. Nur sieben weitere Sportkreise haben während dieser Zeit ebenfalls an Mitgliedschaften zugelegt: Darmstadt-Dieburg (+5.950), Wiesbaden (+2.546), Offenbach (+2.173), Main-Taunus (+1.857), Region Kassel (+1.787), Hochtaunus (+429) und Marburg-Biedenkopf (+314). Diese Zahlen sind aber zwangsläufig ins Verhältnis mit der Entwicklung den Bevölkerung zu setzen, die in den Ballungsräumen stärker angewachsen ist als in ländlichen Regionen.
Es lohnt daher ein Blick auf den Organisationsgrad, also dem Anteil der Bevölkerung, der in einem Sportverein aktiv ist. Dort steht wie im Vorjahr der Sportkreis Vogelsberg ganz oben auf dem Treppchen: 44,1 Prozent aller Einwohner verfügen hier über eine Vereinsmitgliedschaft. Ähnlich hohe Werte gibt es in Waldeck-Frankenberg (43,6), Limburg-Weilburg (43,3) und Hersfeld-Rotenburg (42,6). Besonders gering ist die Quote hingegen in Offenbach (23,9), Wiesbaden (25,3) und der Region Kassel (29,8).
Gemessen an der Zahl der zu betreuenden Vereine befindet sich der Sportkreis Main-Kinzig (559 Vereine) auf dem Spitzenplatz, gefolgt von den Sportkreisen Region Kassel (462), Wetterau (448), Lahn-Dill (445), Frankfurt (422) und Darmstadt-Dieburg (415). Die im Mittel kleinsten Vereine gibt es im Sportkreis Werra-Meißner mit durchschnittlich 160 Mitgliedern pro Verein. Den krassen Kontrast bildet Frankfurt mit durchschnittlich 621 Mitgliedern.
Sportverbände: Wenig Veränderung und heimliche Champions
An der Spitze der 59 hessischen Fachverbände behauptet sich unangefochten der Hessische Turnverband (HTV) mit 607.544 Mitgliedern (Vorjahr 606.731) und einem Frauenanteil von fast 70 Prozent. In insgesamt 2.112 Vereinen (-10 gegenüber dem Vorjahr) können die unter dem Dach des HTV organisierten Sportarten betrieben werden.
In 2.123 Vereinen – und damit in zehn weniger als 2019 – wird Fußball gespielt. Insgesamt zählt der Hessische Fußball-Verband 541.759 Mitgliedschaften (Vorjahr: 527.494), wobei der Anteil der Männer und Jungen bei 87,5 Prozent liegt. Der Zuwachs an Mitgliedschaften ist jedoch ausschließlich auf einen Verein zurückzuführen: Eintracht Frankfurt hat im Bereich Fußball seit 2019 mehr als 20.000 neue Mitglieder hinzugewonnen.
Zusammen stellen die beiden größten Sportfachverbände 54 Prozent aller Mitgliedschaften in hessischen Sportvereinen. Auf Platz drei folgt der Hessische Tennis-Verband, der seit dem 1.1.2019 rund 570 Mitglieder verloren hat und nun 119.415 Mitgliedschaften in 762 Vereinen zählt. Mit 100.638 Mitgliedschaften (-74 gegenüber dem Vorjahr) zeigt sich der Hessische Leichtathletikverband (902 Vereine) recht stabil, wohingegen die der Hessische Schützen-Verband (1.056 Vereine) um 687 auf 97.775 Mitgliedschaften geschrumpft ist. Dahingegen kann der Hessische Handballverband ein leichtes Plus von 445 auf insgesamt 84.578 Mitgliedschaften verzeichnen. Zuwachs gibt es unter den zehn mitgliederstärksten Verbänden auch beim Bergsteigen und Klettern. 3.362 Mitgliedschaften mehr als im vergangenen Jahr zeigen, dass dort das Wachstum weiter geht.
Auch bei den Jugendlichen (15-18 Jahre) stehen Fußball und Turnen an der Spitze. Es gibt jedoch eine andere Sportart, die herausragt: Basketball. Seit 2016 sind in dieser Altersgruppe jedes Jahr rund 300 Spieler/innen hinzugekommen. Gegenüber 2010 ergibt sich eine Steigerung um 2.109 Jugendliche auf heute 5.622 Aktive.
Altersstruktur im Wandel
Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Sportvereinsmitglieder lediglich in einer Altersgruppe gesunken: Bei den 15- bis 18-Jährigen sind mit 144.629 heute 3.170 Personen (-2 Prozent) weniger aktiv als 2019. In absoluten Zahlen sind die meisten Mitgliedschaften bei den 27- bis 40-Jährigen (+8.661 bzw. +3 Prozent) dazugekommen (heute: 144.629). Prozentual gesehen ist die Steigerungsrate jedoch bei den Jüngsten am höchsten: Plus fünf Prozent und insgesamt 129.095 Mitgliedschaften stehen bei den Null- bis Sechsjährigen zu Buche – wohl auch, weil in den vergangenen Jahren wieder mehr Kinder zur Welt gekommen sind.
Denn gemessen an der Gesamtbevölkerung in den jeweiligen Altersklassen sind die Veränderungen in fast allen Altersklassen marginal: Erwähnenswert ist lediglich, dass der Organisationsgrad bei den 19- bis 27-Jährigen um 3 Prozentpunkte auf 30 Prozent gefallen ist, während er bei den 27- bis 40-Jährigen um vier Prozentpunkte auf ebenfalls 30 Prozent angewachsen ist.
Auch im Vergleich zum Jahr 2010 hat sich der Organisationsgrad in den meisten Altersklassen nur minimal verändert. Verglichen mit vor 20 Jahren (Jahr 2000) ist hingegen zu erkennen, dass prozentual heute mehr Kinder bis 14 Jahre Mitglied in einem Sportverein sind. Sowohl bei den Null- bis Sechs- als auch bei den Sieben- bis 14-Jährigen liegt der Organisationsgrad heute jeweils fünf Prozentpunkte über dem Wert von damals. Dahingegen ist der Organisationsgrad bei den 15- bis 18-Jährigen von 65 auf 60 Prozent abgesunken.
Einen negativen Trend gibt es auch in der Altersklasse der 41- bis 60-Jährigen: Ihr Organisationsgrad lag im Jahr 2000 noch bei 35 Prozent, heute beträgt er lediglich 30 Prozent. Dafür ist er bei den 27- bis 40-Jährigen um acht Prozentpunkte auf einen Organisationsgrad von heute 30 Prozent gewachsen. Eine interessante Entwicklung ist in der Kategorie 60plus zu erkennen: Während der Organisationsgrad der Männer in den vergangenen 20 Jahren von 42 auf 36 Prozent abgesunken ist, treiben heute mehr Frauen in diesem Alter Sport im Verein: Ihr Organisationsgrad stieg leicht von 18 auf 20 Prozent an.
Sportvereine: Weniger, aber größere Vereine
Der Trend der Vorjahre setzt sich fort: Die Zahl der im lsb h organisierten Vereine nimmt auch zum 1.1.2020 leicht ab – gegenüber dem Vorjahr um 40 auf jetzt 7.574 Vereine. Insgesamt zählt der lsb h damit 206 Vereine weniger als vor zehn Jahren. Das „Dauerwachstum“ von den 1950er bis in die 2000er Jahre, das 2012 mit 7.783 Vereinen seinen Höhepunkt fand, ist damit wohl beendet.
Die Zusammensetzung der Vereine hat sich in den vergangenen 20 Jahren dagegen kaum verändert: Nach wie vor haben mehr als zwei Drittel der Vereine (69 Prozent) nur eine Sparte. In absoluten Zahlen bieten heute 5.236 Vereine jeweils nur eine Sportart an. 984 Vereine (12,5 Prozent) haben Sportarten aus zwei Verbänden im Angebot, 303 Vereine (15 Prozent) Sportarten aus drei bis fünf Verbänden. Zwischen sechs und neun Sportarten kann man in vier Prozent der hessischen Sportvereine wählen (303 Vereine). Exakt 74 Vereine bieten Sportarten aus zehn bis 25 Sportfachverbänden an. Das entspricht gerade mal einem Prozent aller Vereine.
40 Prozent der hessischen Sportvereine, nämlich 3.059, haben maximal 100 Mitglieder. Rund 23 Prozent der Vereine (1.751) zählen zwischen 101 und 200 Mitglieder, rund 11 Prozent 201 bis 300 Mitglieder. Zusammen macht diese Gruppe drei Viertel aller hessischen Vereine aus. Sie vereinen 29 Prozent aller Mitgliedschaften (rund 618.000) auf sich. Zwölf Prozent der Vereine (880) zählen zwischen 301 und 500 Mitgliedern, neun Prozent (683) zwischen 501 und 1.000 Mitgliedern.
Unter den Großvereinen ist die Kategorie zwischen 1.001 und 2.000 Mitgliedern am stärksten: Hier gibt es 265 Vereine, die 17 Prozent aller lsb h-Mitgliedschaften auf sich vereinen. Nur 38 Vereine zählen zwischen 2.001 und 3.000, 30 Vereine über 3.001 Mitglieder. Beachtlich jedoch: Diese 30 Vereine vereinen zwölf Prozent aller Mitgliedschaften auf sich, bei allen Großvereinen ab 1.000 Mitgliedern sind es sogar 33 Prozent. Vor zehn Jahren lag dieser Wert noch bei rund 28 Prozent.
Gegenüber dem Vorjahr ist die Rangliste der größten Sportvereine unter dem Dach des lsb h komplett unverändert geblieben. Ihre Mitgliederzahl wächst kontinuierlich und zum Teil deutlich an. Zusammen erzielten sie von 2019 auf 2020 ein Plus von 24.192 Mitgliedern. Davon entfallen mehr als 20.000 auf Eintracht Frankfurt. Dass inzwischen acht Sektionen des Deutschen Alpenvereins zu den 20 größten hessischen Vereinen gehören, bestätigt die derzeitige Popularität von Wandern und Bergsteigen. Natürlich aber lassen sich Regions-Sektionen schwer mit klassischen Sportvereinen vergleichen.
Hessens größte Vereine zum 1.1.2020:
- Eintracht Frankfurt (84.910 Mitglieder)
- Turngemeinde Bornheim 1860 (31.233)
- Sektion Darmstadt-Starkenburg des DAV (12.294)
- Deutscher Alpenverein Sektion Frankfurt (10.842)
- Frankfurter Turn- und Sport-Gemeinschaft 1847 (9.600)
- Sportverein 1898 Darmstadt (7.757)
- Kultur- und Sportverein Baunatal (7.380)
- Fraport Skyliners Frankfurt (6.312)
- Sektion Kassel des DAV (5.908)
- Deutscher Alpenverein Sektion Fulda (5.655)
Eine noch detaillierte Auswertung sowie Mitglieder-Tabellen für die einzelnen Sportkreise und Fachverbände entenehmen entnehmen Sie dem Auszug unserer Zeitschrift "Sport in Hessen".