Die Bemühungen um eine bundesweite Reform der Spitzensport-Förderung entwickeln sich von einem Drama zur Tragikomödie – man weiß nicht mehr, ob man weinen oder lachen soll.“ Mit diesem Satz kommentiert Dr. Rolf Müller, Präsident des Landessportbundes Hessen (lsb h), die neuesten Entwicklungen, die der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) Ende vergangener Woche auf der Versammlung der Spitzenverbände bekannt gab. Demnach verschiebt sich der Zeitplan für die geplante Reform, weil das sogenannte Potenzial-Analyse-System (PotAS) keinesfalls vor den Olympischen Spielen in Tokio 2020 greifen wird.
„Ich kann nicht sagen, dass mich das nur traurig stimmt. Schließlich halte ich es für keine gute Idee, die Förderung einzelner Verbände allein daran auszumachen, ob ihre Athleten in der Weltspitze mithalten können – unabhängig von der Wettbewerbssituation“, äußert sich Müller kritisch zur Idee der Potenzial-Analyse. „Mich ärgert aber, dass mit dieser Verzögerung weitere Verunsicherung entsteht. Bei der DOSB-Hauptversammlung im November in Magdeburg haben die Vertreter der Verbände für eine unfertige Reform gestimmt – im Vertrauen auf ihren Dachverband und das Bundesministerium des Innern (BMI). Nun, über ein halbes Jahr später, wissen wir immer noch nicht, wie es weitergeht.“
Aufgrund dieses „Trauerspiels“, wie es in einer Pressemitteilung des Landessportbundes Hessen heißt, sehe man sich darin bestätigt, einen „Hessischen Weg“ eingeschlagen zu haben. „Anders als auf Bundesebene ist das Verhältnis zwischen dem Landessportbund und dem Hessischen Ministerium des Innern und für Sport weiterhin von Vertrauen und Kooperation geprägt“, so Müller.
In einem mehrstufigen Diskussionsprozess, der mit einem Hessischen Leistungssportkongress am 5. Dezember seinen vorläufigen Höhepunkt finden soll, soll geklärt werden, wie sich die Leistungssport-Reform konkret auf Landesebene auswirkt. „Wesentliche Fragen sind dabei die Anerkennung von Bundesstützpunkten, Kadergrößen und -zuordnungen und insbesondere die so wichtige Finanzierung qualifizierter Trainer“, sagt Lutz Arndt, als lsb h-Vizepräsident für den Bereich Leistungssport zuständig. „Es ist zum Beispiel nicht in unserem Sinne, wenn Sportarten, die ihren Bundesstützpunkt in Hessen verlieren, künftig keine Förderung mehr erhalten“, so Arndt.
Mit Blick auf das „aufgeschobene, aber nicht aufgehobene Potenzial-Analyse-System“ wirft Präsident Müller zudem die Frage auf, was mit Athleten geschehen solle, die Chancen auf Spitzenplätze haben, deren Sportart aber aus der Förderung falle. „Unser Ziel ist es, in Hessen eine Struktur zu schaffen, in der vielversprechende Talente auch in diesem Fall unterstützt werden“, sagt Müller.
Eine noch wichtigere Rolle wird dabei wohl die Stiftung Sporthilfe Hessen spielen: Ihr Vorstand hat am Dienstag beschlossen, die Förderung von Nachwuchsleistungssportlern künftig noch stärker in den Mittelpunkt zu rücken. „Wir wissen, wie wichtig es ist, gerade jungen Sportlern eine gewisse Planungssicherheit zu geben“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Prof. Dr. Heinz Zielinski. „Nur wenn die finanziellen Sorgen nicht zu groß sind, können sich junge Athleten voll und ganz auf ihren Sport und ihre Ausbildung konzentrieren.“ Das hätten Landessportbund und Hessisches Innenministerium früh erkannt und deshalb schon vor Jahren die Stiftung Sporthilfe Hessen ins Leben gerufen.
Sie hat dabei nicht nur Spitzensportler, sondern auch den Nachwuchs im Blick. Das passt zur Auffassung des Landessportbundes Hessen: „Nachwuchsförderung ist und bleibt eine wichtige Aufgabe der Länder“, sagt Lutz Arndt. Das Engagement von DOSB und BMI in diesem Bereich sei zwar „wichtig und richtig. Auf Landesebene wollen wir aber unseren Teil zur frühen Förderung des Nachwuchses beitragen.“
Mit dem Landesprogramm „Talentsuche – Talentförderung“, dem „Haus der Athleten“, der Kaderförderung, dem Landestrainerprogramm und den zahlreichen Serviceleistungen des Olympiastützpunktes (OSP) Hessen stehe die Nachwuchsförderung in Hessen bereits jetzt auf soliden Beinen. „Im anstehenden Diskussionsprozess darf es aber dennoch keine Denkverbote geben. Wir werden alles dafür tun, die Nachwuchsförderung in Hessen in ihrer ganzen Breite zukunftssicher zu gestalten“, verspricht der Präsident des Landessportbundes Hessen abschließend.