Mit ihrem Engagement im organisierten Sport sind sie ein Vorbild für andere Frauen und Mädchen. Deshalb hat der Landessportbund Hessen Petra Scheible (Mörfelden-Walldorf) und Andrea Rzehak (Heusenstamm) am Samstag mit dem Lu-Röder-Preis ausgezeichnet. Der Preis, der seit 1988 an die erste Frauenwartin des Landessportbundes erinnert, wurde erstmals in zwei Kategorien vergeben: In der Kategorie „Vorbild/Lebenswerk“ gingen 1.500 Euro an Petra Scheible, Andrea Rzehak erhielt in der Kategorie „Engagierter Nachwuchs“ 1.000 Euro.
„Lu Röder hat dafür gekämpft, dass Frauen im Sport zu gleichberechtigten Partnern werden – auf dem Spielfeld oder auf der Matte genauso wie in den Vorstandteams“, sagte Laudatorin Beate Schmidt, Vorsitzende des Landesausschusses Frauen im Sport. Auf die heutigen Preisträgerinnen, war sie sich sicher, wäre Röder daher stolz gewesen. Denn: „Mit gerade mal 35 Jahren steht Andrea Rzehak einem Boxverein vor. In einer absoluten Männerdomäne hat sie Herausforderungen nie gescheut und sich mit ihrem Engagement im Bereich Frauenboxen und Selbstbehauptung auch im Verband Anerkennung erworben. Sie ist damit genauso Vorbild wie Petra Scheible, die seit Jahrzehnten als Übungsleiterin und Abteilungsleiterin im Verein und seit 2006 als stellvertretende Sportkreisvorsitzende Verantwortung übernimmt“, so Schmidt.
Petra Scheible: Die Vordenkerin
„Die Auszeichnung habe ich nicht erwartet – ich hatte schon ein bisschen feuchte Augen, als ich davon erfahren habe“, sagt Petra Scheible. Die Überraschung kam daher, dass Vorschläge des Sportkreises Groß-Gerau für den Lu-Röder-Preis normalerweise von ihr, der Frauenbeauftragten und zweiten Vorsitzenden, bearbeitet werden.
Verdient hat die 56-Jährige den Preis auf jeden Fall: Ihr Eltern hätten sie „quasi im Kinderwagen“ in den Verein geschoben. Mit 14 wurde sie Jugendleiterin der TGS Walldorf, mit 18 Übungsleiterin, mit 35 Abteilungsleiterin – eine klassische Laufbahn von unten nach oben. Herausragend war dabei der Aufbau des vereinseigenen Fitness-Studios im Jahr 1997. Der entsprechenden Abteilung steht Scheible – mit kurzer Unterbrechung – bis heute vor. „Petra Scheible ist eine Vordenkerin. Ihre zahlreichen Aus- und Fortbildungen im Bereich Fitness, Gesundheits- und Rehasport zeigen, wie früh sie erkannt hat, dass Vereine hier aktiv werden müssen“, lobte Beate Schmidt bei der Preisverleihung.
Doch nach vorne denken, sich überlegen, wie der Spagat zwischen Traditionsverein und innovativen Sportangeboten gelingen kann – das funktioniert laut Scheible nur im Team. „Dabei ist eine Mischung gut – zwischen Jung und Alt, aber auch zwischen Männern und Frauen.“ Ihr selbst habe ihr Geschlecht nie im Weg gestanden. „Ganz im Gegenteil, der Sportkreis kam zum Beispiel auf mich zu, der Verein unterstützte mein Engagement auf dieser Ebene.“ Frauen zu fördern und zu ermutigen, findet Scheible dennoch wichtig. Denn: „Frauen und Männer ticken anders. Männer sind häufig selbstbewusster, Frauen gehen Konfliktsituationen tendenziell mehr ans Herz, sie müssen außerdem nicht unbedingt in der ersten Reihe stehen.“
Scheible hat zudem festgestellt, dass Frauen und Männer unterschiedlich an Dinge herangehen. „Als Frauenbeauftragte des Sportkreises habe ich deshalb zum Beispiel Computerschulungen nur für Frauen initiiert. Das kam gut an.“ Dass ihre Art der dezenten Frauenarbeit erfolgreich ist, zeigt ein Blick in die Zukunft: Wenn Scheible demnächst ihre Ämter als Bildungsreferentin, Frauen- und Seniorenbeauftragte abgibt und „nur“ noch zweite Vorsitzende des Sportkreises Groß-Gerau sein wird, werden ihr drei Frauen nachfolgen. Außerdem hat sie vier Frauen aus dem Sportkreis ermutigt, am Mentoring-Programm „Erfolgreich im Sport – Erfolgreich im Beruf – Erfolgreich im Leben" des Landessportbundes teilzunehmen.
Dass ihr das gelungen ist, verwundert wenig: Scheible spricht mit Begeisterung von ihren Ehrenämtern. „Natürlich ist nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen und es gibt viele Wochen, an denen ich jeden Abend zwei Stunden im Büro sitze, um etwas für den Verein und den Sportkreis zu tun. Aber man bekommt auch viel zurück. Jedes Danke, jedes kleine Blümchen, jede Auszeichnung wie der Lu-Röder-Preis zeigt mir das.“
Andrea Rzehak: Die Vorkämpferin
Andrea Rzehak war gerade mal fünf Jahre alt, als ihr Vater sie mit zum Kickboxen nahm. 30 Jahre sind seither vergangen – und kaum ein Tag, an dem sie nicht mit Kickboxen zu tun hatte. Rzehak ist eine Frau, die das Boxgeschäft von der Pike auf gelernt hat, die sich innerhalb und außerhalb des Rings auskennt, die Kickbox-Weltmeisterin ist, Trainerin und Vorsitzende des „Champions Sporting Club Frankfurt“. Man kann also sagen: Sie hat sich in einer Männerdomäne durchgesetzt. Trotzdem – oder gerade deshalb – sagt sie: „Als Frau musst du dich immer ein bisschen mehr beweisen. Noch heute lassen sich Männer ungern etwas von einer Frau sagen.“
Abschrecken lassen hat sich Rzehak davon nicht: 2009 war sie eine der ersten Frauen in Hessen, die eine Trainer-Lizenz im Boxen erwarb. Als Zweite Vorsitzende der Sportjugend Frankfurt leitete sie einige Jahre lang das Box- und Tischtennis-Camp im Gallus. Als es darum ging, den Frankfurter Traditionsverein CSC unter leicht verändertem Namen wiederzubeleben, war sie zur Stelle. „Andrea Rzehak ist eine Vorkämpferin. Sie hat großen Anteil daran, dass Mädchenboxen in Hessen aufstrebend ist“, lobte Laudatorin Schmidt.
Mädchen und Frauen zu fördern, sei nötig, sagt Rzehak – auch heute noch. „Man muss Mädchen Selbstvertrauen geben, ihnen beibringen, dass es sich lohnt durchzuhalten und weiterzumachen.“ Boxtraining – und das bedeute nicht automatisch auch zu kämpfen – eigne sich dafür hervorragend. Um Gleichstellung zu fördern, dürfe man aber auch die Jungs nicht vergessen. „In unserem Verein trainieren Mädchen und Jungen gemeinsam. Als Trainer fördern wir beide gleichermaßen, außerdem leben wir Pünktlichkeit und Respekt vor – auch vor dem anderen Geschlecht.“
Kein Wunder also, dass der Präsident des Hessischen Boxverbandes, Daniel Tischer, bei seinem Vorschlag Rzehaks für den Lu-Röder-Preis schrieb: „Wir sind dankbar und glücklich, Andrea Rzehak in unserem Verband zu haben, da sie als Funktionärin, Sportlerin und Trainerin sehr erfolgreich arbeitet. Auch ihr soziales Engagement muss in den höchsten Tönen gelobt werden.“
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Wer war Lu Röder?
Lu Röder war von 1973 bis 1987 Präsidiumsmitglied des Landessportbundes Hessen und initiierte Programme, um Frauen zu einem selbstbestimmten Sporttreiben zu animieren. Ein wichtiges Ziel ihrer Arbeit war es, den Frauenanteil in Führungspositionen des Sports zu erhöhen. Dazu entwickelte sie Qualifizierungsmaßnahmen, die Frauen befähigten, ihre Interessen besser durchzusetzen.
Der Lu-Röder-Preis
Mit dieser Auszeichnung würdigt der Landessportbund seit 1988 jährlich Sportlerinnen, die sich in engagierter Art und Weise für die Belange von Frauen im Sport einsetzen und überdurchschnittliche Leistungen im Verein, Verband oder Sportkreis vollbringen. Damit soll an die Arbeit von Lu Röder erinnert werden. 2017 wurde der Preis erstmals in zwei Kategorien verliehen: „Vorbild/Lebenswerk“ (Dotierung 1.500 Euro) und „Engagierter Nachwuchs“ (Dotierung 1.000 Euro). Das Preisgeld muss für Frauenarbeit im Verein, Verband oder Sportkreis verwendet werden. Frauenvertreterinnen, Verbands- und Sportkreisvorsitzende haben die Möglichkeit, Kandidatinnen vorzuschlagen.
Die Auswahlkriterien
- Besonderer Einsatz für die Belange des Sports
- Engagement für frauenfreundliche Vereinsangebote
- Aufbau / Durchführung von sozialen Projekten
- Übernahme von Führungspositionen
- Nachwuchsförderung im ehrenamtlichen Bereich
- Nachwuchsförderung im sportlichen Bereich