Mit dem Heinz-Lindner-Preis, der in diesem Jahr für vorbildliche inklusive Arbeit im Sport ausgelobt worden war, hat der Landessportbund Hessen am Wochenende zehn Sportvereine ausgezeichnet. Der Preis ging an den Kanu-Club-Fulda, den Verein für Fitness und Schwimmsport in Rödermark, den Integrationssportverein Stadt und Landkreis Kassel, die Sportfreunde Blau-Gelb Marburg, die Sportgemeinschaft Blista Marburg, die Wassersport Vereinigung Cassel 1919, den TSV Klein-Linden, die Turn- und Sportfreunde Heuchelheim, den Alpenverein Sektion Wiesbaden und die TG Rüdesheim. Die Auszeichnung, die an den ersten Vorsitzenden des Landessportbundes Hessen, Heinz Lindner erinnert, war erstmals mit insgesamt 15.000 Euro dotiert. Preisstifter ist von Anbeginn des Wettbewerbs die Firma „Himmelseher Sportversicherungen weltweit“. In diesem Jahr beteiligten sich zudem das Hessische Ministerium des Innern und für Sport sowie das Hessische Ministerium für Soziales und Integration als Preisgeber.
Insgesamt hatten sich 37 Vereine mit inklusiven Projekten um den Preis beworben. „Inklusion ist ein überaus wichtiges Thema. Wir als Landessportbund werden das Menschenmögliche tun, um ein Bewusstsein für die Notwendigkeit von Inklusion zu schaffen und unsere Vereine weiter dafür zu sensibilisieren. Letztlich muss deutlich werden, dass Inklusion wie selbstverständlich zum Sport gehört“, so Landessportbundpräsident Dr. Rolf Müller während der Preisverleihung.
Dass Inklusion Zeit braucht, um sich nachhaltig in Sportvereinen zu etablieren, ist für Landessportbund-Vizepräsident Ralf-Rainer Klatt naheliegend. Klatt: „Inklusion gehört zur Sportentwicklung und muss vom Kopf her gelebt werden. Irgendwann wird es normal sein Sportangebote so zu gestalten, dass beispielsweise blinde oder taube Menschen problemlos partizipieren können.“ Generell freute sich Klatt, „dass sich so viele Vereine zum diesjährigen Schwerpunktthema Sport und Inklusion beworben haben und die Teilhabe von Menschen mit Behinderung gemeinsam mit Nichtbehinderten sowohl im Breiten- als auch im Wettkampfsport umsetzen.“ Der Landessportbund werde den Erfahrungsaustausch dieser inklusiven Arbeit mit interessierten Vereinen und Verbänden pflegen und die Vereine beratend unterstützen.“
Warum Inklusion wichtig ist, verdeutlichte auch Hessens Minister des Innern und für Sport, Peter Beuth, während der Preisverleihung in Frankfurt. „Inklusion schafft Selbstbestimmung, Chancengleichheit und eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Durch die gezielte Förderung von Inklusion im Sport wollen wir Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten stärken und die Vielfalt unseres Sportlandes Hessen untermauern. Es bleibt eine unserer vordringlichsten Aufgaben, nicht nur die Hürden im Alltag, sondern auch Barrieren in den Köpfen der Menschen abzubauen“, so Beuth, der gleichzeitig auf das besondere Engagement „seines“ Ministeriums in diesem Bereich hinwies.
Engagiert ist, und das liegt auf der Hand, auch das Hessische Ministerium für Soziales und Integration. „Sport verbindet die Menschen auf besondere Weise. Beim gemeinsamen Sporttreiben entsteht Verständnis füreinander. Vorurteile und Berührungsängste werden abgebaut oder entstehen erst gar nicht. Stigmatisierung und Diskriminierung gegenüber Menschen mit einer Behinderung werden im Keim erstickt. Auf diese Weise kann Sport das Anliegen und die Werte der Behindertenrechtskonvention besonders gut transportieren“, betonte Dr. Wolfgang Dippel, Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration.
Der Preis selbst wurde in den Kategorien „Vereine bis 500 Mitglieder“, „Vereine bis 1.500 Mitglieder“ sowie „Vereine mit mehr als 1.500 Mitgliedern“, verliehen.
Ausgezeichnete Vereine bis 500 Mitglieder
Gelebte Inklusion im Wildwasserabfahrtsrennen des Kanu-Clubs-Fulda
Der Kanu-Club-Fulda hat 2015 beschlossen, seinen Sport inklusiv anzubieten und sich noch mehr für Menschen mit Behinderung zu öffnen. Inklusion ist dort inzwischen in die Vereinssatzung aufgenommen und ein eigener Vorstandsposten für die Belange des Behindertensports wurde geschaffen. Der Sport findet inklusiv statt: Gemeinsam nehmen Sportlerinnen und Sportler mit und ohne Handicap am Training teil. Einige der Sportler/-innen mit Behinderung trainieren für die Teilnahme an Special Olympics, sie werden von Trainern mit spezieller Ausbildung betreut. Die Gemeinsamkeit aller Sportlerinnen und Sportler bei allen Aktivitäten prägen das Vereinsleben.
2017 hat der Verein bei der 48. Auflage seines Fulda-Abfahrtsrennens mit Erfolg erstmals ein inklusives Rennen angeboten und damit Menschen mit Behinderung die Möglichkeit gegeben, gemeinsam mit Sportlern ohne Behinderung an einem Wettbewerb teilzunehmen. Für seine Initiativen zum inklusiven Sport erhält der Kanu-Club-Fulda in der Gruppe bis 500 Mitglieder den 1. Preis und 2.500 €.
Verein für Fitness und Schwimmsport in Rödermark: „Sport für Alle mit und ohne Handicap“
Seit der Gründung im Jahre 2003 lautet das Vereinsmotto des Vereins für Fitness und Schwimmsport in Rödermark: „Sport für Alle“. Im Jahr 2015 hat der Vorstand in einer Zukunftswerkstatt beschlossen, die Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu fördern, dies in den Leitlinien des Vereins zu verankern und im Vorstand ein neues Amt für Inklusion einzurichten. Seitdem lautet das neue Motto: „Sport für Alle mit und ohne Handicap“. Sowohl im Leistungs- als auch im Breitensport starten Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam bei Schwimm-Wettkämpfen. Die umliegenden Grundschulen werden von speziell ausgebildeten Trainern im Schulschwimmunterricht unterstützt, damit Kinder mit Handicap inklusiv das Schwimmen lernen können. Ohne diese Unterstützung wäre dieser Unterricht kaum möglich. Für Mitglieder und Eltern ist gemeinsames Training bereits Normalität. Ein weiteres Engagement des Vereins wird leider durch fehlende Trainingszeiten begrenzt.
Für sein Engagement erhält der Verein für Fitness und Schwimmsport in Rödermark in der Gruppe bis 500 Mitglieder den 2. Preis und 1.500 €.
Integrationssportverein Stadt und Landkreis Kassel: „Zusammen sind wir stark“
Der Integrationssportverein Stadt und Landkreis Kassel hat sich seit seinem Gründungsjahr 1993 die Aufgabe gemacht, Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit geistiger Behinderung die Möglichkeit zu bieten, gemeinsam mit Nichtbehinderten Sport zu treiben. Unter dem Motto: „Zusammen sind wir stark“ entstanden sechs inklusive Gruppen, die von den Teilnehmern aktiv mitgestaltet werden. In Kooperation mit Hort, Grundschulen, Frühförderstellen und Behinderteneinrichtungen entwickelten sich die Gruppe „Sportfun“, die Gruppe „Bewegung Kunterbunt“ für Vorschulkinder und das Fußballprojekt „Die Bolzköppe“ für Jungen und Mädchen. Durch die Beteiligung am GIB-Projekt (Gemeinsam in Bewegung) mit dem Landessportbund Hessen und weiteren Partnern im Landkreis Kassel konnten neue Mitglieder gewonnen werden. Die ausgebildeten Übungsleiter und Trainer bringen ihre jahrelange Erfahrung in der Arbeit mit geistig behinderten Menschen in das Projekt ein.
Der Integrationssportverein Stadt und Landkreis Kassel erhält für seine Inklusionsarbeit in der Gruppe bis 500 Mitglieder den 2. Preis und 1.500 €.
Ausgezeichnete Vereine bis 1.500 Mitglieder
Sportfreunde Blau-Gelb Marburg/Sportgemeinschaft Blista Marburg: Inklusive Landesliga-Mannschaft
Mit seinem Projekt einer „inklusiven Landesliga Mannschaft“ möchte der Mehrspartenverein Sportfreunde Blau-Gelb Marburg mit der Abteilung Judo die Selbstverständlichkeit des gemeinsamen Sports von sehbehinderten mit Normalsehenden fördern und Vorbild für andere Vereine sein. In einem Ligateam der Landesliga wurden Nachwuchssportler mit Sehbehinderung inklusiv eingebunden. Der Verein ermöglicht der Schulmannschaft der Blindenstudienanstalt am Schulwettbewerb „Jugend trainiert für Olympia“ teilzunehmen. Sehbehinderte wirken bei allen Vereinsaktivitäten mit, sind im Abteilungsvorstand vertreten und werden als Trainer qualifiziert. Seit Jahren besteht eine intensive Kooperation mit der Sportgemeinschaft Blista Marburg, dem Hess. Judoverband und dem Hess. Behinderten-und Rehabilitationsverband. Eltern unterstützen das inklusive Training aus sozialen und pädagogischen Gründen; dadurch beteiligen sich zunehmend auch normalsehende Judoka.
Die Sportgemeinschaft Blista Marburg, die auch eine Abteilung Blindenfußball betreut, hat sich eigenständig ebenfalls für das gemeinsame Projekt beworben.
Daher erhalten die Sportfreunde Blau-Gelb Marburg und die Sportgemeinschaft Blista Marburg für ihre inklusive Arbeit in der Gruppe bis 1.500 Mitglieder gemeinsam den 1. Preis und 2.500 €.
Wassersport Vereinigung Cassel 1919: „Freiheit im Kanusport“
Auslöser für das inklusive Angebot der Wassersport Vereinigung Cassel 1919 in der Sportart Kanu war das GIB-Projekt (Gemeinsam in Bewegung), das in Kooperation mit der Ambulanten Hilfe im Alltag e.V., dem Landessportbund Hessen und weiteren Partnern aus dem Landkreis Kassel 2015 initiiert wurde. Durch das Projekt erhielt der Verein Kontakt zu Behindertenhilfe-Einrichtungen. Darüber hinaus besteht seit vielen Jahren eine inklusive Schwimmgruppe der Schwimmabteilung des Vereins. Barrierefreiheit ist grundsätzlich selbstverständlich. 2015 hat der Verein eine inklusive Kanufreizeitgruppe ins Leben gerufen. Es konnten geeignete Boote angeschafft werden, sodass Mitglieder ohne Boot außerhalb der normalen Trainingszeiten Kanutouren unternehmen konnten. Mit dieser Initiative wurden anfängliche Berührungsängste auf beiden Seiten abgebaut. Behinderte Menschen genießen im Boot eine neue Form von Freiheit.
Die Wassersport Vereinigung Cassel erhält in der Gruppe bis 1.500 Mitglieder den 2. Preis und 1.500 €.
TSV Klein-Linden: Einziger Verein im Kreis Gießen mit einer Fußball-Mannschaft für Menschen mit „intellektuellen Defiziten“
Als erster und einziger Verein im Landkreis Gießen betreut der TSV Klein-Linden ein Fußball Team für Menschen mit intellektuellen Defiziten mit 30 Spielerinnen und Spielern im Alter von 14 bis 45 Jahren. Das Training findet wöchentlich inklusiv statt, geplant ist modellhaft mit dem HBRS eine inklusive Fußballspielrunde in Hessen, die vom Hessischen Ministerium des Innern und für Sport unterstützt wird. Es wurde eine Inklusionsabteilung gegründet mit einem sechsköpfigen Betreuerteam. Die Teammitglieder beteiligen sich und unterstützen die Aktivitäten des gesamten Vereins sowohl in der Betreuung der Mannschaften, der Unterstützung bei Veranstaltungen, der Platzpflege und sogar bei der Abnahme des Sportabzeichens. Der Verein kooperiert mit Schulen für geistige Entwicklung, weiteren Behinderteneinrichtungen und anderen umliegenden Vereinen. Einige Spieler mit Handicap konnten in Mannschaften der „normalen“ Spielrunde integriert werden. Das Engagement erfährt Anerkennung in den andern Abteilungen des Vereins sowie in der Öffentlichkeit durch die Verleihung von Auszeichnungen.
Der TSV Klein-Linden erhält in der Gruppe bis 1.500 Mitglieder den 3. Preis und 1.000 €.
Ausgezeichnete Vereine ab 1.500 Mitglieder
TSF Heuchelheim: Das schnellste Rückschlagspiel inklusiv
Die Tischtennisabteilung des TSF Heuchelheim hat im Jahr 2015 eine Behindertensparte gegründet. Der Impuls ging vom Vereins-und gleichzeitig Landestrainer für Tischtennis für Behinderte sowie der Vorbereitung und Ausrichtung der Deutschen Tischtennismeisterschaft für Behinderte in Heuchelheim aus. Bereits ausgeschiedene Erkrankte stiegen wieder trotz ihrer Behinderung in den Sport ein, junge neue Menschen mit Behinderung wurden motiviert und trainieren jetzt gemeinsam mit nichtbehinderten Kindern. In den Tischtennismannschaften sind nichtbehinderte und behinderte Sportler gemeldet. Bei der Ausrichtung von Meisterschaften für Behinderte helfen Nichtbehinderte aus anderen Abteilungen mit. Der inklusive Ansatz seit Gründung der Behindertenabteilung hat ein Umdenken bei den Vereinsmitgliedern bewirkt.
Dafür erhalten die Turn- und Sportfreunde Heuchelheim in der Gruppe ab 1.500 Mitglieder den 1. Preis und 2.500 €
Alpenverein Sektion Wiesbaden: „Hochhinaus“ mit dem Alpenverein
Mit Gründung der Gruppe „Hochhinaus“ bietet der Alpenverein Sektion Wiesbaden seit 2015 in einer Kletterhalle inklusives Klettern für behinderte und nichtbehinderte Kinder sowie Erwachsene an. Dazu wurde die Sicherheit verstärkt, besondere Hilfsmittel geschaffen und die Betreuung erhöht. Die Konzeption wurde mit einem behinderten Menschen erstellt. Das Helfen untereinander wird „großgeschrieben“ und bereitet allen Beteiligten viel Spaß und Erfolgserlebnisse. Es besteht eine gute Kooperation mit dem Kletterhallenbetreiber, den Therapeuten und Erziehern sowie Sozialpädagogen, die während der Kurszeiten unterstützen. Durch die Öffentlichkeitsarbeit konnten mittlerweile 20 motivierte neue Teammitglieder gewonnen werden. Klettern inklusiv hat im Verein einen hohen Stellenwert erlangt, so dass neue Ideen wie z.B. Klettern im Fels und Bau einer eigenen Kletterwand im Fokus stehen.
Der Alpenverein Sektion Wiesbaden erhält in der Gruppe ab 1.500 Mitglieder den 2. Preis und 1.500 €.
TG Rüdesheim: Gelebte Inklusion sportartübergreifend
Seit dem Bau der „Halle für Alle“ der TG Rüdesheim im Jahre 2009 gibt es ausreichend Zeiten um spezielle Angebote für inklusive Sportgruppen anzubieten. Durch die Kooperation mit örtlichen und mittlerweile auch umliegenden Behinderteneinrichtungen und Schulen sowie Eltern und Lehrern gibt es zehn unterschiedliche inklusive Bewegungsangebote. Die Altersspanne reicht von Kindern im Vorschulalter über Erwachsene bis hin zu älteren Menschen. Teilweise besuchen Behinderte nach einer gewissen Zeit ganz „normale“ Kurse für Menschen ohne Behinderung. Ob Tanzen, gemeinsam Klettern, Fußball-einfach Kicken, Zumba oder Skifreizeiten; alle Maßnahmen können von Menschen unterschiedlicher Behinderungsart ausprobiert werden. Alle Initiativen und neue Ideen entstehen gemeinsam mit den Übungsleitern und den behinderten Sportlerinnen und Sportlern. Es steht nicht das Gewinnen im Vordergrund, sondern die Freude an Sport und Bewegung sowie die Möglichkeit, freudvolle Erfahrungen zu sammeln. Zur Betreuung stehen Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren zur Verfügung, die z.T. eine ÜL-Ausbildung absolvieren. Sie werden aus Sportleistungsgruppen des Gymnasiums rekrutiert und erhalten dazu einen Vermerk in ihren Zeugnissen.
Die TG Rüdesheim erhält in der Gruppe ab 1.500 Mitgliedern den 3. Preis und 1.000 €.