Forum Ehrenamt

Auf der Suche nach den Rosinen

„Forum Ehrenamt“ befasst sich mit Innovationen und ihrem Nutzen

Nicken, Zustimmung – und schon ist die Entscheidung gefallen. Läuft so die optimale Vorstandssitzung ab? Nicht, wenn es darum geht, innovative Ideen zu entwickeln und neue Lösungen für Herausforderungen zu finden, die den Verein schon lange beschäftigen. „Innovative Ideen sorgen häufig erst mal für Augenrollen. Sie lösen Irritationen aus oder fühlen sich sperrig an.“ Das sagt Dr. Stefan Groß, der seit Jahren als Prozessbegleiter tätig ist – vor allem dann, wenn es um Veränderungsprozesse geht.

Beim „Forum Ehrenamt“, zu dem „Starker Verein“ und der Landessportbund Hessen (lsb h) Mitte Oktober gemeinsam nach Frankfurt eingeladen hatten, hielt er einen Impulsvortrag zum Thema Innovationen. Dass diese durchaus nötig sind, um gegen ein besonders drängendes Problem anzukommen, wurde beim Austausch mit den rund 80 Teilnehmenden deutlich. Als größte Herausforderungen für ihre Vereine stand ein Punkt ganz oft auf den ausgeteilten, bunten Post-its: Ehrenamtliche finden. Ob für den Vorstand oder als Übungsleitende, ob als Helfer*innen bei Veranstaltungen, Renovierungen oder beim Thekendienst, ob aus dem Kreis der Eltern oder der jugendlichen Mitglieder.

Natürlich gab es auch noch andere Punkte: den Umgang mit zu wenig Hallenzeiten oder veralteter Infrastruktur, eine angespannte Finanzlage, Herausforderungen im Bereich Digitalisierung und IT, die nicht immer unkomplizierte Zusammenarbeit zwischen Hauptberuf und Ehrenamt. Aber: „Auch der Umgang mit diesen Herausforderungen gelingt natürlich besser, wenn ein Verein gut aufgestellt ist und auf qualifizierte und motivierte Ehrenamtliche zurückgreifen kann“, sagt Christian Kaufmann, unter anderem für das Thema Ehrenamt zuständiger Referent des lsb h.

Neue Sichtweisen einholen  
Gängige Lösungen, wie man mehr Ehrenamtliche gewinnen kann, wurden in den meisten Vereinen wohl schon umfangreich diskutiert. „Deshalb wollten wir mit unserer Veranstaltung einen Impuls setzen, die Dinge mal neu zu denken“, so Kaufmann. Wie Mit-Organisatorin Daniela Herrlich, Projektleiterin von „Starker Verein“, hatte er dabei nicht den Anspruch, dass am Ende des Forums Allheilmittel gefunden werden. Eine ganz wichtige Erkenntnis des Forums ist außerdem: „Wenn man innovative Lösungen sucht, dann hilft es, Leute von außen dazuzuholen. Leute, die andere Sichtweisen und Erfahrungen mitbringen und vielleicht nicht schon zig Diskussionen zum Thema miterlebt haben.“ So wie es auf die meisten Teilnehmenden ja leider zutrifft.

Für Sportvereine kann sich also beispielsweise ein Austausch mit anderen Vereinsverantwortlichen anbieten, etwa aus dem Bereich Kultur oder Soziales. „Oder man schickt ein paar Mitglieder los und beauftragt sie, jeweils fünf Leute danach zu fragen, warum sie noch nie  über ein Engagement beim Verein nachgedacht haben, warum sie vielleicht nicht mal Mitglied sind, wie sie von außen auf den Verein blicken“, schlägt Groß vor.

Auch Brigitte Pusceddu vom TV Dieburg hat mitgenommen: „Wir müssen unsere Türen stärker öffnen, nicht immer in der eingefahrenen Spur bleiben und vielleicht auch ganz Grundsätzliches überdenken – zum Beispiel, ob der Begriff Ehrenamt heute überhaupt noch gängig ist oder vielmehr abschreckend.“ Dass man bei allem Bemühen nicht auf Wunder hoffen darf, dessen war sich Teilnehmer Martin von der Spielvereinigung Hofheim durchaus bewusst: „Es ist eine Suche nach Rosinen.“

Konkret – und innovativ?
Eine Suche jedoch, die sich lohnen kann – und ohne die es nicht geht. Konkret wurde es in den verschiedenen Workshop-Phasen. Da wurde über Vorstandsteams, einen rotierenden Vorstand oder zum Teil alternierende Vorstandsmitglieder diskutiert. Da ging es um Beziehungspflege und die Frage, ob diese nicht allzu oft vernachlässigt wird. Es gelte schließlich, die Beziehungen in einem Vorstandsteam zu pflegen, die Beziehung zwischen Vorstand und Abteilungsleitungen und zwischen Vorstand und Mitgliedern. Das beinhaltet Informationsvermittlung (Was macht die Vereinsführung und warum?) genauso wie ernsthafte Interessensbekundung (Oh, der Vorstand interessiert sich für mich und meine Belange!). Ein Informationsbildschirm im Eingangsbereich, eine Vereinsapp oder eine Mitglie-derumfrage mögen dabei nicht unbedingt innovativ daherkommen – aber vielleicht erste Ansätze sein.

Durchaus für Augenrollen könnte hingegen der Vorschlag eines „Ehrenamts-Tinder“ sorgen, ob vereinsintern oder innerhalb einer Gemeinde. Passen Anforderungen des Vereins und Vorstellungen eines*r potenziellen Ehrenamtlichen zusammen? Dann gibt es ein Match und nach einem Austausch darf auch schnell ein erstes Date folgen!

Eine andere Erkenntnis: Manchmal hilft es schon, die Sache so zu nehmen, wie sie ist. Ein Problem also eher als Chance zu begreifen. Es ist schwer, junge Leute fürs Ehrenamt zu begeistern? Vielleicht muss man dann die Älteren als Zielgruppe akzeptieren. „Ich fand diesen Ansatz einer Arbeitsgruppe charmant. Sie hat den Fokus darauf gelegt, welche Vorteile Ältere mitbringen und wie man sie gewinnbringend einsetzen kann“, sagt Anke Engel von der SG Götzenhain. „Denn es stimmt ja: Sie haben in der Regel mehr Zeit, sie sind ortsnah und für sie kann Ehrenamt ein echter Gewinn bedeuten.“
Dass ein Mangel an Ehrenamtlichen ein Problem ist, war Referent Stefan Groß wohl auch vor der Veranstaltung schon klar. Nicht zuletzt deshalb lautete eine Fragestellung zu Beginn: „Was begeistert dich an der Vereinsarbeit?“ Auf blauen Post-its notierten die Teilnehmenden Dinge wie „Vielfältigkeit der Themen“, „zusammen Ziele erreichen“, „was bewegen zu können“, „Kinder für Sport und Verein begeistern“ oder „mit Menschen zusammenkommen“. Auch daraus dürfte sich einiges ableiten lassen. Denn Ehrenamt hat einen Nutzen, bringt Positives mit sich. Das konsequent in den Vordergrund zu stellen und auf innovativen Wegen darauf hinzuweisen, kann helfen, neue Mitstreiter*innen zu gewinnen. Groß selbst regte zudem an, neue Gelegenheiten zur Mitarbeit zu schaffen: Eltern könnten sich zum Beispiel einbringen, während ihre Kinder beim Training sind. Dafür braucht es Ideen und Räume.

Räume war so oder so ein wichtiges Stichwort für Groß. Es gebe den Ideenraum, den Entscheidungsraum (welche Ideen setzen wir um, wofür haben wir Ressourcen) und den Umsetzungsraum, referierte er. Meistens scheitere es in letzten Raum, bei der Realisierung. Das liegt zum Teil auch an äußeren Umständen, wie Teilnehmer Martin beschreibt: „Wir haben im Winter nicht genug Platz für alle Kinder, wünschen uns deshalb einen zweiten Kunstrasenplatz.“ Dafür ist der Verein jedoch auf andere Akteure angewiesen. Außerdem wird sich der Wunsch nicht von heute auf morgen erfüllen.

Sich austauschen, ein bisschen klagen und voneinander lernen: Dieses Bedürfnis war bei allen Teilnehmenden zu spüren. „Wir haben dem Netzwerk-Gedanken deshalb viel Platz eingeräumt“, sagt Daniela Herrlich. Immer wieder war im Rahmen der Tagesveranstaltung Zeit für ein Gespräch am Rande, für den Austausch von Kontaktdaten. Vielleicht wurde dabei ab und zu auch das gemacht, was Poetry Slammerin Stella Jantosca in ihrem abschließenden Vortrag empfahl: „Klopft euch auf die Schulter, denn was ihr tut, ist nicht selbstverständlich.“

Auch sonst fasste sie passend zusammen, erinnerte an manche fragenden Gesichter bei der Idee, „ordentliche Vorgänge mal durch unordentliche zu ersetzen“, daran, dass Risiken eingegangen werden müssen, um Dinge zu verändern, dass es auch für Vorstandsmitglieder okay sei, Fragen zu haben und zu stellen. Und sie brachte auf den Punkt, was unterschwellig immer wieder deutlich wurde: Dass es nötig ist, außerhalb des Vereins darüber zu sprechen, wie cool es ist, dort tätig zu sein. Innovativ? Vielleicht nicht, aber kein Standard im Verein – und einfach umzusetzen noch dazu!

 

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